Wortlauf des Briefes vom 30.03.2022 an Stadtverwaltung und Stadtwerke:

Herrn Oberbürgermeister Scharmann

An die Damen und Herren Gemeinderäte

nachrichtlich

Herrn EBM Deißler

Herrn GF Meier, Stadtwerke Weinstadt

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Scharmann,

sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderates,

das KlimaBündnis Weinstadt hatte sich vor einem Jahr gegründet. Ende Oktober 2021 hat der Gemeinderat einstimmig beschlossen, dass Weinstadt bis 2035 klimaneutral werden soll.

Ausbau erneuerbarer Energien

Das KlimaBündnis ist davon überzeugt, dass der Ausbau erneuerbarer Energien in Weinstadt dringend beschleunigt werden muss. Dies aus Gründen des Klimaschutzes, aber auch zur nachhaltigen Sicherung der Energieversorgung von Bürger*innen und Wirtschaft, wie die dramatischen Ereignisse der letzten Wochen gezeigt haben.

Nach unserer Auswertung des Energieatlas Baden-Württemberg hat Weinstadt ein großes Potenzial beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Bis 2030 kann der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch von heute im Landesvergleich weit unterdurchschnittlichen 6 % auf über 50 % gesteigert werden. Schon bei Nutzung eines kleinen Teiles des Gesamtpotenzials ist eine Verzehnfachung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien möglich: von derzeit 6 Mio. kWh/a auf 67 Mio. kWh/a.

Nach den Prognosen des Bundeswirtschaftsministeriums wird sich der Stromverbrauch durch Elektromobilität und den vermehrten Einsatz von Wärmepumpen zum Heizen bis zum Jahr 2030 um 20 bis 35 % erhöhen. Der derzeitige Stromverbrauch Weinstadts liegt bei 96 Mio. kWh/a. Für Weinstadt bedeutet dies einen Stromverbrauch zwischen 120 und 130 Mio. kWh/a.

Mit einem Beitrag erneuerbarer Energien von 67 Mio. kWh/a können dann sogar 50% des künftig höheren Strombedarfs gedeckt werden.

Mit diesem Ausbau erneuerbarer Energien können jährlich über 43.000 t CO2 eingespart werden – bei einem heutigen CO2-Ausstoß Weinstadts von 140.000 t pro Jahr ist das schon ein beträchtlicher Teil. Wir kommen damit dem Ziel der Klimaneutralität einen bedeutenden Schritt näher.

Was dafür getan werden muss – es darf keine Tabus geben:

1. Dachflächen-PV muss massiv ausgebaut werden: Stadt und Stadtwerke müssen unverzüglich die vom KlimaBündnis angeregte Solaroffensive für Wohngebäude („PV auf jedes Dach“) gemeinsam mit der Energieagentur Rems-Murr und dem KlimaBündnis starten. Parallel dazu müssen die erheblichen Potentiale auf den Dächern von Gewerbebetrieben genutzt werden. Das KlimaBündnis hat bereits in Eigenregie erfolgreich die Aktion „Balkonmodule für Weinstadt“ gestartet, die fortgesetzt wird. Im Energieatlas des Landes ist ein Ranking aller baden-württembergischen Kommunen enthalten, das die Stromerzeugung von Solardächern pro Einwohner auflistet. Weinstadt liegt in BW auf Platz 1.035 (von 1.100 Kommunen). Auch hier wird deutlich, dass das Dachflächenpotenzial Weinstadts nur zu 5 % genutzt wird.

2. Mit Solarparks die Sonne Weinstadts einfangen: Die Stadt muss das Flächen-Screening beschleunigen und kurzfristig zwei bis drei große Flächen für Solarparks ausweisen. Zwingend ist dabei die Beteiligung Weinstädter Bürger*innen vorzusehen, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu steigern. Der Einfluss auf das Landschaftsbild ist nicht gänzlich zu vermeiden, kann aber durch die Gestaltung und ökologische Begleitmaßnahmen gemildert werden. Auch andere Infrastruktureinrichtungen wie Stromleitungen und Straßen oder Plastikplanen und Hagelnetze im Obstanbau gehören zum Landschaftsbild.

3. Auch die Windkraft muss ihren Beitrag dazu leisten: Stadt und Gemeinderat müssen ein klares Bekenntnis zum Bau von zwei Windenergieanlagen abgeben. In Weinstadt gibt es Potenzial für Windenergieanlagen, wie der Energieatlas des Landes ausweist. Die Wirtschaftlichkeit von Anlagen auf Weinstädter Gemarkung ist gegeben.

Klar ist für uns, dass das 50 %-Ziel nur mit einem gleichzeitigen Ausbau in allen drei Bereichen zu erreichen ist. Ohne Ausweisung von genügend großen Flächen für Solarparks wird das nicht zu schaffen sein. Dabei sei auch daran erinnert, dass nach dem aktuellen Klimaschutzgesetz des Landes 2 % der Gemarkungsflächen für PV und Windenergie vorzusehen sind. Für Weinstadt sind das 64 ha. Das 50 %-Ziel bis 2030 erfordert bei uns weniger als 1 % der Weinstädter Fläche: 19 ha für Solarparks und etwa 1 ha für zwei Windenergieanlagen.

Wir brauchen daher auch in unseren Weinstädter Entscheidungsgremien eine Zeitenwende: Schnelle und mutige Entscheidungen von Stadtverwaltung und Gemeinderat in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken. Für den Klimaschutz und die nachhaltige Sicherung unserer Energieversorgung!

B 29 als „Schwäbische Route du Soleil“

Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg hat eine Ausschreibung veröffentlicht, die PV an Schallschutzwänden und –wällen entlang von Bundesstraßen voranbringen soll.

Dafür bietet sich die B 29 von Fellbach bis Aalen mit über 60 km Länge hervorragend an - mit idealem Verlauf in Ost-West-Richtung. Es ergibt sich ein beachtliches Potenzial zur Stromerzeugung (konservative Abschätzung)von mindestens 36 Mio. kWh pro Jahr. Das entspricht dem Verbrauch von über 10.000 Haushalten und einer CO2-Einsparung von über 20.000 t pro Jahr.

Diese „Route du Soleil“ wäre ein Aushängeschild für das gesamte Remstal und ein klares Bekenntnis zum Klimaschutz. Die gute interkommunale Zusammenarbeit bei der Remstal-Gartenschau 2019 fände eine zukunftsgerichtete Fortsetzung. Es liegt nun an den Kommunen und Stadtwerken entlang der B 29, sich bis Ende April mit einem gemeinsamen Vorschlag an der Ausschreibung des Verkehrsministeriums zu beteiligen.

Aktionen und geplante Veranstaltungen des KlimaBündnisses

Das KlimaBündnis Weinstadt ist überzeugt, dass es in Weinstadt viele Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen gibt, die dem Klimaschutz eine immer größere Bedeutung beimessen und selber bis 2035 klimaneutral werden wollen. Diese Unternehmen sollen unterstützt und hervorgehoben werden. Denkbar ist z.B. eine Klimapartnerschaft der Stadt mit einzelnen Betrieben "Weinstadt 2035 klimaneutral".

Das KlimaBündnis Weinstadt beteiligt sich am Aktionswochenende „Kidical Mass“ am 15. Mai 2022 und am 25.September 2022.

Bei der Aktion am 15. Mai wird an ganz vielen Orten in Deutschland, Europa und rund um den Globus für fahrrad- und kinderfreundliche Städte demonstriert. In diesem Jahr auch erstmals in Weinstadt. Bei einer bunten Fahrraddemo erobern Radfahrende von 0 bis 99 Jahren die Straßen Weinstadts. Da die Kidical Mass als Demonstrationszug angemeldet wird, werden die befahrenen Straßen durch die Polizei für den Autoverkehr gesperrt. Das Format hat Kinder und nachhaltige Mobilität im Fokus und setzt sich für lebenswerte Städte ein.

Aufklärung und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sind ein erster wichtiger Schritt, jeder muss in seinem Umfeld handeln und Klimaschutzmaßnahmen umsetzen. Das KlimaBündnis Weinstadt hat sich daher vorgenommen, in den priorisierten Handlungsfeldern die Einwohner Weinstadts verstärkt mit der Dringlichkeit eines aktiven Klimaschutzes in Weinstadt anzusprechen.

Gerade in dem so wichtigen Bereich der Bewusstseinsbildung hat das KlimaBündnis der Stadt angeboten, durch eigene Projekte und Aktionen den Klimaschutz für die Bürgerinnen und Bürger greifbarer zu machen und dies auch in enger Zusammenarbeit mit dem Klimamanagement der Stadt voranzutreiben.

In diesem Jahr wird sich das KlimaBündnis Weinstadt an einer ganzen Reihe von Veranstaltungen beteiligen, so z. B. am Tag der offenen Tür in Endersbach am 1. Mai und an den baden-württembergischen Energietagen Ende September.

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach dem einstimmigen Beschluss des Gemeinderates vom Oktober sehen wir weiterhin alle Chancen, das ehrgeizige Ziel der Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen. Dafür müssen jetzt aber schnelle und mutige Entscheidungen getroffen werden!

Mit freundlichen Grüßen

für das KlimaBündnis Weinstadt

Miriam Ehret, Karl Greißing, Claus Hainbuch und Philip Jähne